Dienstag, 15. Januar 2013 | 13:23 dfb.de

Phänomen Fans: Themenwoche auf DFB.de

Im Stadion, vor dem Fernseher, vor dem Radio. Auswärts, zu Hause. Mit und ohne Fanschal. In der Bundesliga, in der Kreisliga, bei der Nationalmannschaft. Wo Fußball gespielt wird, finden sich Fans. Das Fan-Sein hat viele Facetten und Gesichter. Zum Anpfiff der Themenwoche auf DFB.de widmen sich zwei Experten, Fanforscher Gunter A. Pilz, und Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), wichtigen Kernfragen zum Phänomen Fans.

Was ist ein Fan?

Für Fanforscher Gunter A. Pilz ist die Frage des Fan-Seins subjektiv definiert. "Entscheidend ist die innere Betroffenheit", sagt er. Also die Frage, ob Resultate einer Mannschaft Emotionen auslösen. Objektive Kriterien wie die Anzahl der Stadionbesuche oder die Textsicherheit bei den Vereinshymnen seien dagegen nur bedingt aussagekräftig. "Man kann genauso Fan sein, wenn man einer Mannschaft aus der Ferne die Daumen drückt", betont Pilz.

Für KOS-Leiter Michael Gabriel ist eine Definition des Begriffs "Fan" allein deswegen schwierig, weil dieser der Popkultur entnommen ist. Dort ist er mit einem Unterordnungsverhältnis verbunden. Fans himmeln Madonna an, Fans schauen zu Bruno Mars auf. "In England, wo die Fankultur im Fußball, wie wir sie kennen, entstanden ist, gibt es den Begriff Fan nicht", bemerkt Gabriel. Was in Deutschland unter "Fans" gefasst wird, heißt in England "Supporter". "Und das ist auch ein Begriff, der dem Phänomen näher kommt", sagt Gabriel. Denn: "Fans sind Menschen, die einen Verein oder eine Mannschaft unterstützen und sich dadurch als Teil des Gesamten verstehen."

Warum wird man zum Fan?

In erster Linie, weil die Sportart Fußball auf Grund ihrer Natur auf eine große Anzahl an Menschen große Faszination ausübt. Fußball ist spektakulär, Fußball ist einfach, Fußball ist kompliziert. Vor allem ist Fußball spannend, wie kaum in einer anderen Sportart gehört im Fußball die Überraschung zum Alltag.

Für Fanforscher Pilz gibt es bei der Entscheidung für einen bestimmten Verein zwei typische Karrieren. "Eltern nehmen ihre Kinder mit ins Stadion und geben ihre Begeisterung weiter. Die andere Möglichkeit der Sozialisierung zum Fan erfolgt ein wenig später, vor allem in der Pubertät. Typisch ist auch, dass man über eine Clique in Fankreise gerät und selbst zum Fan wird." Die Chance, positive Ergebnisse einer Mannschaft auf das Selbstwertgefühl zu übertragen, ist aus Sicht von Pilz eine weitere Motivation. "Der Erfolg des Teams ist auch mein Erfolg", verdeutlicht er.

Für Michael Gabriel ist das Phänomen Fans auch gesellschaftlich begründet, durch eine zunehmende Vereinzelung und Vereinsamung der Menschen. Als Fan eines Vereins ist man Teil einer Gemeinschaft. "Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist stark ausgeprägt", sagt der Vertreter der KOS. "Die Unterstützung eines Vereins gibt den Menschen die Möglichkeit, zu den Gewinnern zu gehören oder im Leid nicht alleine zu sein."

Warum bleibt man Fan?

Fans können von ihrer Mannschaft noch so oft enttäuscht werden, Niederlagen und Misserfolge können den Fan in seiner Treue kaum erschüttern. "Für viele ist der Fußball eine Art Familie", sagt Pilz. Und die Familie verlässt man nicht, in guten wie in schlechten Zeiten. Im Fußball kommt die Komponente hinzu, dass das Fan-Sein hochgradig irrational und mitunter sogar eine Frage des Glaubens ist. "Auch wenn die Kirchen das nicht gerne hören - für viele ist Fußball Religionsersatz", meint Pilz. "Die einen gehen sonntags in die Kirche, die anderen gehen ins Stadion."

Gerade bei jungen Menschen ist zu beobachten, dass sie im Fußball, in der Masse, eine Identität finden. Die Ultras haben auch deswegen so großen Zulauf, weil sie spüren, dass sie wahrgenommen werden. "Sie können ihre Kreativität demonstrieren und erhalten dafür Anerkennung", sagt Pilz.

Die Vereinstreue geht bei den meisten Fans soweit, dass sie die Nähe zum Verein behalten, auch wenn sie ihren Lebensmittelpunkt verlagern, wenn sie Stadt oder Land verlassen. Fans entwickeln Interesse zum Klub der neuen Heimat, die Liebe zum alten Verein bleibt bestehen. "Der Verein ist oft die emotionalste Bindung zur alten Heimat", sagt Gabriel. Freunde werden vielleicht vergessen, der Klub nicht.

Welche Arten beziehungsweise Gruppen von Fans gibt es?


Eine große Rolle in der öffentlichen Diskussion spielen zurzeit die Ultras. "Sie formulieren ihre Ansprüche an den Fußball am deutlichsten", sagt Michael Gabriel. Er definiert die Ultras als "spezifische, sehr selbstständige, stark jugendlich geprägte Fankultur mit eigenen Werten und hohem Eigenengagement". Fanforscher Pilz erkennt in Bezug auf die Ultras auch einen "politischen Anspruch - politisch in dem Sinne, dass für sie der Fußball und Verein alles ist". Jedes Heim- und Auswärtsspiel im Stadion zu begleiten, ist eine Selbstverständlichkeit. Pilz: "In ihrem Selbstverständnis sehen sich die Ultras als diejenigen, die der Tradition und Historie des Fußballs verpflichtet sind."

Eine Ausprägung, die sie leicht von den Supportern unterscheidet, obwohl auch die sich sehr stark mit ihrem Verein identifizieren und ihn unterstützen. "Die Supporter sind eher Menschen im mittleren Alter, die sich nicht scheuen, auch in Gremien mitzuarbeiten - wie mittlerweile bei fast allen Vereinen", sagt KOS-Leiter Gabriel.

Dann gibt es noch die traditionellen Fans, die sich zum Beispiel in Fanklubs organisieren und deren Altersspektrum durch alle Generationen reicht. Eine ganz individuelle Art von Fans sind die Groundhopper, die Fußballspiele und Stadien "sammeln". Und auch Kinder können natürlich Fans sein. "Sie zeichnen sich durch ihre überschäumende Begeisterung aus und haben die unschuldigste Beziehung zu einer Mannschaft und einem Verein", sagt Gabriel.

Sind Ultras die besseren Fans?


"Ich würde den Ultras diesen Anspruch schlicht und ergreifend absprechen", so Fanforscher Pilz. Denn: "Alle Gruppen von Fans sind auf ihre Weise ein wichtiger Bestandteil."

Michael Gabriel hält den großen Stellenwert der Ultras für unbestritten, eine Überhöhung gegenüber anderen Fans aber ebenfalls für problematisch. "Es geht um das Gemeinschaftserlebnis im Stadion, der Elitegedanke einer Gruppe ist da nicht förderlich, sondern kontraproduktiv", erklärt er. Der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte warnt in diesem Zusammenhang davor, die Bedeutung vom Rasen auf die Ränge zu verlagern: "Die Fankultur kann nur bestehen, wenn das Geschehen auf dem Spielfeld im Mittelpunkt steht."

Was ist mit den Spielern, ehrenamtlichen Funktionären und Jugendtrainern, die sich viele Jahre für ihren Amateurverein engagieren: Sind das auch Fans?


Hier verschwimmen die Grenzen, und hier geraten auch die Experten ins Grübeln. "Wenn wir von Fans sprechen, sprechen wir immer über ein Gruppenphänomen im Zuschauersport Fußball", sagt Michael Gabriel. Der Amateurfußball ist zwar ein Massenphänomen, fällt dennoch nur bedingt in dieses Raster. Eine Parallele zur klassischen Fankultur ist die hohe emotionale Bindung, die im Amateurbereich durch Engagement, soziale Kontakte und regionale Verwurzelung entsteht.

Michael Gabriel findet den Begriff "Fan" dennoch nicht passend, "weil es sich um unterschiedliche Phänomene handelt und daher die Begrifflichkeit nicht passt". Die Bezeichnung "Fußball-Liebhaber" komme der Sache da schon näher. Über die Frage, ob man tatsächlich nur Fan eines Vereins, einer Mannschaft und eines Spielers sein kann oder nicht auch Fan einer ganzen Sportart, lässt sich allerdings vortrefflich diskutieren. Erschöpfend beantwortet hat sie noch niemand. [sl/jb]


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